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Sido im Portrait: Der Mann ohne Maske
Für viele waren es einfach brüllende Proleten. Aus der Gosse. Asoziale. Mit übertriebenen Posen und großer Schnauze, aber nichts dahinter. In den letzten Jahren hat sich das Image und die Wahrnehmung der deutschen Rap- und Hip-Hop-Szene gewandelt. Rap ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Einer, der ganz maßgeblich dazu beigetragen hat: Sido. Früher galt er als Rüpel der Nation – heute ist er der Lieblingsrapper deines kleinen Bruders, aber auch der Lieblingsrapper deiner Mutter. Zu allem Überfluss ist er auch der Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers.
Eine Lebenseinstellung …
Wer jetzt aber glaubt, er hat es mit Weicheiern zu tun und das ist alles nur Fassade, der irrt gewaltig. Die harten Jungs (und natürlich Mädels, Sabrina Setlur, Schwesta Ewa oder Juju, um hier nur einige zu nennen) haben schon viel erlebt und die meisten von ihnen auch einiges auf dem Kerbholz. Sie zählen ganz sicher nicht zu den wohlbehüteten Streber-Söhnchen und Töchtern aus Stuttgart oder Heidelberg. Ehre, Loyalität, auch ein gewisser aggressiver Ton und eine arrogante Attitüde bis zur Selbstherrlichkeit und vollständigen Beratungsresistenz gehören zum Standard Repertoire des Rappers – es ist schließlich eine Lebenseinstellung. Bei den meisten von ihnen auch tatsächlich vom Leben gegeben (Herkunft, Bildungsniveau, soziale Brennpunkte), bei einigen eine angenommene Lebenseinstellung. Letztere geben sich oft noch härter, um die nötige Street Credibility zu erlangen.

Wo kommt er her
Aus den grauen Plattenbauten des Märkischen Viertels in Berlin an die Spitze der Charts. Als Paul Hartmut Würdig, so sein bürgerlicher Name, am 30. November 1980 geboren wird, steht die Mauer noch. Seine ersten Beats baut der junge Paul auf einer Playstation, in Bonn regiert Helmut Kohl und in den Charts Wolfgang Petry. Hip-Hop ist weit entfernt. Das waren die Amerikaner mit den komischen Handbewegen. Yoyoyo und so. “Seht es ein, Deutschland ist HipHop”, hat Sido einmal gerappt. Damals war das Wunschdenken. Heute ist es Realität
Die Geschichte von Sido ist oft erzählt worden. Von den Medien, die ihn hassten. Von den Fans, die ihn lieben. Und von Sido selbst, einem der wichtigsten deutschen Rapper der Gegenwart. Er hat den Blick auf Deutschrap verändert: Sido, der Außenseiter aus der Platte, hat die Mitte der Popkultur annektiert.
Wenn Bushido der deutsche Tupac ist, dann ist Sido so etwas wie der deutsche Snoop Dogg: ein Typ, der von ganz unten kommt, der in seinem Leben jede Menge Scheiße gebaut hat, dem man immer noch besser nicht doof kommt – den man aber einfach mögen muss, weil er diesen ganzen Irrsinn mit Gelassenheit und einem dicken fetten Grinsen nimmt. Was soll man auch sonst tun, wenn man aufgewachsen ist in der Gewissheit, dass es keine Gewissheit gibt?
Was macht ihn so erfolgreich
Im Fall von Sido sind das unter anderem sieben Soloalben, spektakuläre Kollabos, diverse Firmen, zwei Kinofilme, Gold und Platin. Vor allem aber ist ihm gleich mehrmals gelungen, was im Millionengeschäft Deutschrap noch immer eine Seltenheit ist: Er hat echte Hits geschrieben. Nicht anonyme Streaming-Schlager oder flüchtige Szene-Phänomene, sondern Lieder, die die Zeit überdauern. “Astronaut” stand fast ein ganzes Jahr in den Charts, schaffte es bis auf Platz 1 und, wichtiger noch, in die Herzen sehr, sehr vieler Leute quer durch alle Generationen und Gesellschaftsschichten.

Bilder im Kopf – und auf der Haut
Nicht nur »Astronaut«, sondern auch »Bilder im Kopf« und »Tausend Tattoos« haben sich auf Jahrzehnte ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Sido beschreibt darauf die Tinte auf seiner Haut als eine Art unauslöslichen Lebenslauf, mit allen Stationen seines Lebens “Alles, was ich gut finde, habe ich tätowiert – der Rest entzieht sich leider meinem Interesse.”. Da sind die Totenkopfmaske und der Astronaut, die kleinen Eskapaden und die großen Geniestreiche, das ganz Unten und das ganz Oben. Sido ist stets ein offenes Buch gewesen, ob als Junge aus’m Block, als Ghettojunge im Goldrausch oder als Familienvater mit Vorbildfunktion. Auch das macht ihn so besonders: dass er immer einer wie wir geblieben ist, einer von uns, einer für uns. Mit „Ich & Keine Maske“ veröffentlicht SIDO im Herbst sein neues Album – und präsentiert jetzt den nächsten Vorboten: „Das Buch“ ist der zweite Track nach »Wie Papa« der veröffentlicht wird.
Geniale Zusammenarbeit: Essah die Wasserwand und Sido
SA, König Essah, Essadamus, King Kool – für Kool Savas gibt es jede Menge Namen. Unangefochtener König des deutschen Battle-Raps. Zusammen mit Sido zählt er zu den bekanntesten Vertretern des Genres in Deutschland. Nicht nur Fans sehen in ihnen lebende Legenden. Bereits 1998 fanden sich die besten Berliner MCs zum ersten Mal in der Kneipe Royal Bunker zu Open Mic Sessions zusammen. Savas und Sido machten hier ihre ersten Schritte und veröffentlichten ihre ersten Tapes. Roh. Direkt. Hart. Ehrlich. Intelligent. Heute ist Deutsch-Rap ohne die beiden undenkbar. Heute kennt sie die Welt.

Ich geh‘ über das Limit
»Limit«
Mein Können ist so grenzenlos
Sie brechen nie meinen Willen
2017 erschien das Kollaboalbum Royal Bunker. Es stieg am 6. Oktober 2017 auf Platz eins der Charts! Immer wieder gibt es Gerüchte Royal Bunker2, zunächst sollte es 2019 soweit sein, der letzte Hinweis geht eher aufs Jahr 2022, könnte aber auch ein typischer Gag von Kool Savas gewesen sein. Er ist kommerziell erfolgreich und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Battle-Raps.
Sperr‘ dich in ‘ne Legebatterie, gib deine Eier ab, Shit!
»Märtyrer«
Deine Karriere war kürzer, als die eines Babystramplers
Begrabe Spinner, lass‘ sie lauschen, wie die Gräser wachsen
Mit ‘ner Stimme, so atemberaubend, wie ‘n Leberhaken
Federführend in jeder Sparte
Breit gefächertes Sortiment wie ‘n Krämerladen
Ich spitte präziser als ‘ne Laserwaffe
Zusammen sind die beiden einfach gut. Beide Rapper sind immer noch hungrig. Ihre Technik ist perfekt. Ihre Lyrik einmalig. Sie geben sich den nötigen Raum, um ein zeitloses Werk zu erschaffen und genau das haben sie gemeinsam erreicht.
Verbrenn‘ mein Geld, ich brauch‘s nicht mehr
»Jedes Wort ist Geld wert«
Dis alles kann ich gern entbehr‘n, denn jedes Wort ist Gold wert
Und ich verzichte gern auf funkelnde Edelsteine
Dis alles steckt in ’ner Zeile, denn jedes Wort ist Gold wert
Trag‘ mein’n Reichtum im Kopf, denn jedes Wort ist Gold wert

In einem kleinen Bunker da in Westberlin
»Haie«
Mussten diese beiden Jungs sich den Respekt verdien’n
…
Du bist jetzt auch ein Rapper, super, du Hippie
Aber wir zwei sind die Wiedergeburt von Tupac und Biggie, verstehste?
…
Immer unterwegs, Hunger treibt uns an
Das Becken reicht nicht für alle
Ihr seid nur kleine Fische
Ihr könnt den Hai nicht ficken
…
Während die Älteren, zu denen Sido und Kool Savas ja zählen inzwischen, das kann man mit Ende 30 (Sido) und Mitte 40 (Savas) durchaus sagen, sicherlich etwas ruhiger und reflektierter geworden sind, kommen auch viele junge spannende Deutschrapper nach. Mit dem charmanten Nebeneffekt, dass sich entweder einige Kollaborationen ergeben oder aber die Konkurrenz das Geschäft belebt. In Falle eines Kool Savas heißt das dann: neue Opfer für seinen Battle-Rap. So leicht lassen sich die Herren nämlich nicht zum alten Eisen schieben. Und eins ist auch Fakt: ihr Sprechgesang kann in Sachen Tempo, Kreativität, Stil und Sprache noch locker mithalten.

Sido – Tourtermine 2019
- 11.11.2019 Fürth, Stadthalle Fürth, Sido
- 12.11.2019 Leipzig, Haus Auensee, Sido
- 14.11.2019 Bremen, Pier 2, Sido
- 15.11.2019 Berlin, Max-Schmeling-Halle, Sido
- 16.11.2019 Hannover, Swiss Life Hall, Sido
- 17.11.2019 Hamburg, Sporthalle, Sido
- 19.11.2019 Frankfurt, Jahrhunderthalle Frankfurt, Sido
- 20.11.2019 Zürich, Samsung Hall, Sido
- 21.11.2019 Innsbruck, CONGRESS – Saal Dogana, Sido
- 22.11.2019 Wien, Planet.tt Bank Austria Halle Gasometer, Sido
- 23.11.2019 München, Zenith, Sido
- 25.11.2019 Stuttgart, Porsche-Arena, Sido
- 27.11.2019 Köln, LANXESS Arena, Premium Package – Sido
- 20.12.2019 Berlin, Columbiahalle, Sido & Gäste: Sidos Weihnachtsshow 2019
- 21.12.2019 Berlin, Columbiahalle, Sido & Gäste: Sidos Weihnachtsshow 2019
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